Das Land Schleswig-Holstein arbeitet derzeit an der Reform seines Kitagesetzes. Der Gesetzentwurf liegt bereits vor und ist auf der Homepage des Landes öffentlich einsehbar. Wir haben uns den Entwurf angesehen und mit Eltern, Elternvertretungen, Fachkräften und politisch Tätigen über die wichtigsten Punkte diskutiert. Neben vielen positiven Neuerungen im Gesetz bemängeln wir, dass die Benachteiligung einiger Gruppen nicht ausgeräumt und teilweise sogar verfestigt wurde.

Update 16.9.: Mittlerweile ist ein neuer Entwurf veröffentlicht und vom Kabinett verabschiedet: aktualisierter Gesetzentwurf vom 10.9.2019. Leider wurde an den wesentlichen Punkten, die wir Eltern uns wünschen, nichts verändert. Es heißt zwar in den Pressetexten z.B. immer "grundsätzliche Beschränkung auf 20 Schließtage", aber im Text des Gesetzesentwurfs wird das immernoch auf Kitas ab vier Gruppen beschränkt. Nun ist es an den Politikern, da nochmal nachzubessern.

Die wichtigsten Änderungen

Elternbeiträge

Die Kitareform sieht eine Deckelung der Beiträge vor, die oberhalb der bislang in Lübeck geltenden Sätze liegt. Viele Eltern fürchten nun, dass die Beiträge angehoben werden. Das wird aber nicht passieren. Denn sowohl die Hansestadt Lübeck als auch das Land haben zugesichert, dass die Beiträge in Lübeck nicht angehoben werden.

Unser Standpunkt: Langfristig sorgt nur Beitragsfreiheit für alle Kinder für eine wirkliche Entlastung der Familien und für echte Chancengleichheit in der frühen Bildung. Komplizierte Regelungen zur Geschwisterermäßigung oder Sozialstaffel könnten so gänzlich entfallen.

Geschwisterermäßigung

Die neue Regelung sieht vor, dass für das älteste Kitakind der volle Beitrag zu zahlen ist und für das zweite 50 % des Beitrages. Für das dritte und weitere Kitakinder fallen keine Betreuungsgebühren mehr an.

Unser Standpunkt: Entgegen der bisherigen Regelung werden Schulkinder bei der Berechnung nicht mitgezählt, so dass nur Familien, die mindestens drei Kinder gleichzeitig in der Kita betreuen lassen, von der Beitragsfreiheit profitieren. Familien mit einem Kita- und einem Schulkind zahlen beispielsweise zukünftig für beide Kinder volle Beiträge. Eine echte Entlastung ist die neue Regelung nur für sehr wenige Familien.

Elternvertretung

In der neuen Gesetzesfassung entfallen die schriftlichen Stellungnahmen des Elternbeirates zu wesentlichen Vorgängen in der Einrichtung.

Unser Standpunkt: Dies stellt eine Schwächung der Elternmitwirkung dar. Positiv ist allerdings zu bewerten, dass zukünftig die gesamte Elternvertretung einer Einrichtung und nicht nur die Elternbeiratsmitglieder in die Entscheidungsfindungen einbezogen werden soll.

Landeselternvertretung

Zukünftig ist vorgesehen, dass das Land die Landeselternvertretung in Abhängigkeit von der Haushaltslage fördert.

Unser Standpunkt: Die Förderung unter Haushaltsvorbehalt ist zu unsicher und wird dem intensiven ehrenamtlichen Einsatz der Elternvertretungen auf Kreis- und Landesebene nicht gerecht. Wünschenswert wäre eine dauerhafte und verlässliche Förderung in Form einer Landesgeschäftsstelle.

Ganzjährige Aufnahme

Zukünftig werden Kinder das ganze Jahr über und nicht nur zum Sommer in Krippe und Kita aufgenommen.

Unser Standpunkt: Dies bedeutet eine große Entlastung für Familien, die nun die Zeit zwischen Ende des Elterngeldes und Beginn des Kitajahres im Sommer nicht mehr überbrücken müssen.

Betreuung von Grundschulkindern

Trotz einer Empfehlung des Petitionsausschusses, die Betreuung von Schulkindern im offenen Ganztag in das Kitagesetz aufzunehmen, sind diese nach wie vor nur dann berücksichtigt, wenn sie in Horten betreut werden.

Unser Standpunkt: Dies stellt zum Einen eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung der Grundschulkinder in Hort und Betreuter Grundschule dar. Zum anderen wird auf diese Weise die Chance vertan, landesweit einheitliche Qualitätsstandards für die Grundschulkinderbetreuung zu schaffen.

Schließtage

Zukünftig dürfen Kitas mit mehr als drei Gruppen nur noch maximal 20 Tage im Kindergartenjahr schließen. Bis zu 30 Schließtage sollen aber für Einrichtungen mit weniger als drei Gruppen zulässig sein oder gelten, wenn die Kinder verlässlich in einer anderen Einrichtung betreut werden können.

Unser Standpunkt: Die Begrenzung auf 20 Tage ist zu begrüßen und sollte ausnahmslos für alle Einrichtungen gelten.

Inklusion

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Einrichtungen Kinder ablehnen oder kündigen dürfen, die aufgrund einer bestehenden oder drohenden Behinderung dort nicht bedarfsgerecht betreut werden können.

Unser Standpunkt: Dies verstößt gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die gleichberechtigte Teilnahme aller Menschen am gesellschaftlichen Leben vorsieht. In der Vergangenheit wurde die unklare Regelung in diesem Bereich vielerorts missbraucht, um Kindern mit Inklusionsbedarf die Betreuung in Regeleinrichtungen zu verweigern oder zu entziehen. Es muss eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die es den Einrichtungsträgern ermöglicht, ein personelles und räumliches Betreuungsumfeld zu schaffen, dass Kindern mit und ohne Behinderung sowie den Mitarbeitenden gleichermaßen gerecht wird.

Naturgruppen

Naturgruppen sollen zukünftig ausschließlich für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt gefördert werden.

Unser Standpunkt: Im Sinne des Wunsch- und Wahlrechtes der Eltern sollten Naturgruppen für Kinder jeden Alters angeboten und entsprechend gefördert werden, also sowohl Krippen- als auch Hortgruppen.

Betreuungsschlüssel

Der Betreuungsschlüssel für Ü3-Kinder und Hortkinder wird im Gesetzesentwurf verbindlich auf 2:20 festgelegt. Bisher war in der Kitaverordnung ein Betreuungsschlüssel von 1,5:20 bzw. 1,5:15 (Horte) festgelegt.

Unser Standpunkt: Eine gesetzliche Festlegung ist einer Verordnungregelung vorzuziehen. Der verbesserte Betreuungsschlüssel ist zu begrüßen, wobei zwei Fachkräfte für 20 Kinder immer noch zu wenig sind.

Verfügungszeit

Mit der Gesetzesnovellierung ist geplant, die Verfügungszeiten des Personals beispielsweise für Vor- und Nachbereitung erstmals verbindlich auf 5h/Woche und Gruppe festzulegen.

Unser Standpunkt: Die Festlegung ist ein Schritt in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug. In der Verfügungszeit müssen neben Vor- und Nachbereitung u. a. auch noch Elterngespräche und Dienstbesprechungen durchgeführt werden. Mangelt es hierfür an Zeit geht das zulasten der Betreuungsqualität, der Zusammenarbeit mit den Eltern und wirkt sich nicht zuletzt nachteilig auf die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden aus.

Sozialstaffel

Zukünftig sind die bisher auf kommunaler Ebene festgelegten Regelungen zur Beitragsermäßigung für einkommensschwache Familien landesweit einheitlich geregelt.

Unser Standpunkt: Trotz der Vereinheitlichung bleibt das Problem weiterhin bestehen, dass nicht alle anspruchsberechtigten Familien die Ermäßigung auch beantragen. Beitragsfreiheit würde dieses Problem lösen.

Kindertagespflege

Für die Kindertagespflege sind einige Neuregelungen geplant. Es soll u.a. ein Vertretungsmodell verpflichtend umgesetzt werden. Zukünftig sollen auch Eltern, deren Kinder in der Kindertagespflege betreut werden, in den Kreiselternvertretungen mitwirken können.

Unser Standpunkt: Ein Vertretungsmodell im Urlaubs- oder Krankheitsfall der Kindertagespflegeperson ist zwingend notwendig. Eine Mitwirkung in der Elternvertretung ist auch für die Eltern, deren Kinder in der KTP betreut werden, sinnvoll. Leider handelt es sich um eine Sollvorschrift und nicht um eine verpflichtende Regelung.

Gruppengröße

Während in Krippengruppen bisher nicht mehr als zehn Kinder betreut werden durften (kleine Gruppen also zulässig waren), ist die Größe einer Krippengruppe zukünftig auf zehn Kinder festgelegt. Bei den Elementargruppen bleibt die Größe gleich, in Hortgruppen sollen künftig 20 statt wie bisher 15 Kinder betreut werden.

Unser Standpunkt: Es wäre wünschenswert, dass in allen Altersgruppen kleinere Gruppengrößen generell zulässig wären. Nur so ist die geplante ganzjährige Aufnahme von Kindern im Krippen- und Elementarbereich sinnvoll umsetzbar. Insgesamt sind vor allem die Elementargruppen und Hortgruppen mit 20 Kindern nach wie vor sehr groß, was für Kinder und Mitarbeitende eine Belastung darstellen kann. Vor allem in Hinblick auf den Fachkräftemangel ist es unerlässlich, attraktive Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden in Betreuungseinrichtungen zu schaffen. Im Hortbereich ist im Zuge der Erfüllung des Bildungsauftrages eine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung zwingend notwendig. Diese ist bei der geplanten Gruppengröße und dem angesetzten Betreuungsschlüssel nur schwer zu gewährleisten.

Fazit

Alles in allem ist das neue Kitagesetz zu begrüßen und ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt aber noch viele Punkte, wo noch deutliche Verbesserungen nötig sind. Nur mit Beitragsfreiheit für alle Eltern und gleichzeitig hoher Qualität der Kitas haben alle Kinder gleiche Chancen.


>> Unsere Pressemitteilung "Reform des Kitagesetzes - Verbesserungspotential noch nicht ausgeschöpft" als pdf zum Download

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